Alle sprechen immer davon, dass Mitarbeiter entscheidend für den Erfolg des Unternehmens sind. Doch wenn es um die Gesundheit und Motivation der Mitarbeiter geht, wird häufig viel zu wenig getan. Betriebliches Gesundheitsmanagement (kurz: BGM) ist die Antwort darauf. Wir haben Manuela Süß und Yvonn Semek von “WORKSMART – Netzwerk Arbeit und Mensch” gefragt, was BGM bedeutet und wie digital diese Branche eigentlich ist. Denn gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist es extrem wichtig, dass sich Unternehmen auch als Arbeitgeber attraktiv und fortschrittlich präsentieren.
Manuela und Yvonn besitzen nicht nur Diplome in verschiedenen Fachrichtungen, Manuela hat sogar schon mehrere Male am Ironman Triathlon-Wettbewerb teilgenommen. Fachkompetent beraten und begleiten Sie Unternehmen bei der Einführung, Umsetzung und Evaluation des BGM.
- BGM ist ein Managementprozess, der bedeutet: Analyse, Maßnahmen ableiten, umsetzen und evaluieren
- Gesundheit ist nicht ausschließlich die Abwesenheit von Krankheit, sondern auch soziales und geistiges Wohlergehen
- Hinsichtlich der Digitalisierung gibt es noch Optimierungsbedarf
- Chatbots bieten viele Vorteile im BGM: Lesen Sie hier mehr dazu
Was ist eigentlich betriebliches Gesundheitsmanagement?
Yvonn:
Betriebliches Gesundheitsmanagement ist ein Managementprozess, der bedeutet: Analyse, Maßnahmen ableiten, umsetzen und evaluieren – der PCDA-Kreislauf (Plan-Check-Do-Act), bezogen auf Gesundheitsthemen. Und es ist eben NICHT nur der eine Sportkurs oder der eine Gesundheitstag, wie es leider immer noch manche Firmen verstehen. Das ist dann betriebliche Gesundheitsförderung: einzelne Maßnahmen, um bestimmte Gesundheitsthemen im Betrieb zu fördern.
Manuela:
Wichtig wäre vielleicht noch zu erwähnen, dass im Gesundheitsmanagement immer mehrere Menschen in einem Unternehmen zusammenarbeiten. Sowohl die Führungskräfte müssen den gesamten Prozess mittragen, aber es bedarf auch Menschen im Unternehmen, die sich damit identifizieren, auseinandersetzen und das planen. Manchmal nützt es auch, sich externe Expertise dazuzuholen, nämlich Leute, die gar nichts mit dem Unternehmen zu tun und den Blick von außen haben. Es gehören natürlich auch Sicherheitsfachkräfte, Betriebsärzte und der Betriebsrat dazu.
Yvonn:
Die sollten alle mit eingebunden werden, auch wenn es um die Entscheidung geht, wie was umgesetzt wird. Gesundheitsmanagement bedeutet also tatsächlich der ganze Prozess mit Evaluation, Anpassung, Optimierung usw. und erstmal zu schauen, welche Schwerpunkte wir haben, was passt und wie wir das methodisch umsetzen und einführen können. Und auch zu überlegen: wie werden die Mitarbeiter abgeholt und zwar auch die, die es brauchen und nicht nur die, die sowieso schon immer was für sich tun – das alles gehört da mit rein.
Welche Bereiche gehören denn zum betrieblichen Gesundheitsmanagement, neben bspw. dem Arbeitsschutz?
Yvonn:
Der betriebsärztliche Dienst und die Arbeitsmedizin gehören dazu.
Manuela:
Das betriebliche Eingliederungsmanagement – das wird immer ganz gerne vergessen – zählt zum BGM dazu und natürlich sämtliche gesundheitsfördernde Maßnahmen aus den Bereichen Bewegung, Ernährung, Stressprävention und Suchtprävention.
Yvonn:
Ersthelfer, Suchtbeauftragte – es gibt auch noch eine ganze Reihe anderer Beauftragte, wie die Sicherheitsbeauftragten beispielsweise.
Manuela:
Ich würde zu dem Thema Betriebliches Gesundheitsmanagement auch die gesamten arbeitsorganisatorischen Themen dazu zählen. Genauso ist das Führungskräfteverhalten ganz wichtig.
Yvonn:
Genau. Und Basis dessen ist, wenn man den Gesundheitsbegriff richtig versteht, so wie ihn die WHO Weltgesundheitsorganisation in den 40er Jahren geprägt hat, dass Gesundheit nicht ausschließlich die Abwesenheit von Krankheit ist, sondern eben auch soziales und geistiges Wohlergehen bedeutet. Deshalb gibt es Psychologen im Arbeitsschutz usw., aber das wird noch lange nicht überall so verstanden. Also auch Unternehmensklima / Stimmung / Kommunikation gehören zum Gesundheitsmanagement dazu.
Was sind mögliche bzw. häufige Maßnahmen im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements?
Manuela:
Bei “WORKSMART – Netzwerk Arbeit und Mensch” bieten wir vor allem Beratung, Coaching und Aktionstage. Und das ist im Prinzip auch das, was aus unserer Erfahrung gewinnbringendsten ist. Man berät natürlich sowohl die Mitarbeiter als auch die Entscheider im Gesundheitsmanagement – das steckt dahinter. Man coacht zu einzelnen Themen: Gesundheitsfördernde Themen oder Führungskräfte Themen, zu Team-Konflikten usw.
Yvonn:
Stressbewältigung, Entspannung, Kommunikation und der Umgang mit Konflikten – ein ganz angesagtes Thema.
Manuela:
Und natürlich der Klassiker: die Aktions- bzw. Gesundheitstage, die aus unserer Sicht noch nicht aus der Mode gekommen sind, aber in einem guten Rahmen reingehören. Die müssen gut vorbereitet sein und nicht nur als Einzelmaßnahmen durchgeführt werden, sondern sollten im gesamten BGM-Prozess mit im Kontext stehen.
Yvonn:
Was noch dazugehört, ist die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen – das ist tatsächlich auch das Einzige, was eine gesetzliche Aufhängung hat in dem ganzen Gesundheitsthema. Seit 2013 ist im Arbeitsschutzgesetz verankert, dass Unternehmen eine Gefährdungsbeurteilung durchführen müssen. Wobei das stimmt nicht ganz: Auch BEM – betriebliches Eingliederungsmanagement – ist im Sozialgesetzbuch gesetzlich verankert. Für das BGM gibt es keine gesetzliche Regelung, aber es bietet sich an, die Gefährdungsbeurteilung beispielsweise als Einstiegsanalyse zu nehmen, sodass man dann gleich noch einen Haken hinter sein gesetzliches Muss machen kann.
Gibt es Punkte, welche man beim betrieblichen Gesundheitsmanagement beachten muss bzw. was oft falsch gemacht wird?
Manuela:
Man muss die Mitarbeiter unbedingt mitnehmen. Oft wird ein Thema irgendwie von oben “eingeworfen”, ohne die Mitarbeiter vorher zu befragen. Auch die Führungskräfte müssen mitgenommen werden. Sie sollten jede Maßnahme, die angefangen oder angeboten wird, mittragen.
Yvonn:
Führungskräfte sollten idealerweise auch teilnehmen, im Sinne einer Vorbildfunktion. Maßnahmen sollten außerdem in Form der Evaluation nachgehalten werden – einer Nachbefragung oder Ähnliches, damit man optimieren kann: Habe ich die Leute erreicht? Was muss ich vielleicht verändern oder welche Fragen sind offen geblieben? Das wird häufig auch nicht gemacht.
Manuela:
Oft wird auch ein bunter Blumenstrauß von Maßnahmen angeboten, ohne wirklich auf die Bedürfnisse oder die Belastung der Mitarbeiter einzugehen. Also das ist für mich immer eine Grundlage, bevor ich was mache: Unternehmen kennenlernen, Mitarbeiter befragen, Führungskräfte befragen und danach eine Auswahl treffen.
Wie digital ist das betriebliche Gesundheitsmanagement heute?
Manuela:
Es gibt ein klassisches Tool, mit dem man sich zu Bewegungsverhalten coachen lassen kann am PC. Da werden beispielsweise auch Bewegungsübungen vorgegeben. So etwas gibt es alles schon. Das kann man automatisch generieren lassen oder auch für sich selbst modifizieren, wenn man das möchte. Wir arbeiten auch mit Unternehmen zusammen, in denender Mitarbeiter sich für BGM-Maßnahmen über das Intranet anmelden kann bzw. auch Termine vergeben kann.
Yvonn:
Individuelle Gesundheitsförderung: Fitness Armbänder usw. natürlich – das ist bekannt.
Manuela:
Schrittzähler-Aktionen, die über solche Apps oder Activity-Tracker gesteuert sind, das gibts.
Yvonn:
Auch Befragungen werden digital durchgeführt. Aber der große Prozess an sich, da gibt es sicherlich noch Optimierungsbedarf. Das sind ja auch alles BGF-Sachen, wenn man so möchte: Einzelmaßnahmen, wo die digitale Unterstützung teilweise schon da ist – ob man das wirklich BGM nennen sollte, glaub ich nicht. Hier ist mir nicht bekannt, dass das schon groß digital aufgehangen ist.
Inwieweit können Chatbots Ihrer Meinung nach im betrieblichen Gesundheitsmanagement eingesetzt werden?
Manuela:
Also natürlich für das Aufklärungsthema: Überhaupt erstmal informieren, was macht das betriebliche Gesundheitsmanagement, was bietet das Unternehmen in dem Bereich an? Und natürlich organisatorisch, um Terminvergaben und Informationen wie wann was stattfindet, zu übermitteln.
Yvonn:
Genau. Die Zeit- und Ressourcenersparnisse sind auf jeden Fall große Vorteile. Und ich glaube es ist für die Next Generation ein Muss, irgendwie digital aktiv zu werden. Da kannst du nicht mit einer Zettelwirtschaft oder langen Texten ankommen. Da geht es ja schon los: wir wissen ja, dass das Lesen von mehr als zwei Seiten schon kaum noch möglich ist. Von daher ist es einfach an der Zeit, da fortschrittlich zu werden. Und wenn ich auf der gleichen Ebene kommuniziere wie die Leute, die ich erreichen möchte, habe ich natürlich auch eine höhere Erreichbarkeit.
Also seht ihr eine Relevanz, dass etwas getan wird zum Thema Digitalisierung
Yvonn:
Ja, glaub ich. Auf jeden Fall.
Und generell: Ist betriebliches Gesundheitsmanagement ein Thema für jedes Unternehmen?
Yvonn:
Sollte es sein, sagen wir mal so. Aber Theorie und Praxis…
Manuela:
Mittlerweile ist es ja auch schon so, dass im Wettbewerb um Fachkräfte, gerade für die jüngere Generation, die Angebote zur Gesundheit im Unternehmen ein absolutes Auswahlkriterium sind.
Yvonn:
Ich glaube, es ist ein großer Marketing-Vorteil, weil es auch neben dem fit halten meiner Leute wertvoll ist, BGM zu machen, um als Magnet Leute anzuziehen und sich attraktiv zu machen.
Vielen Dank!
Lesen Sie in „Digitales BGM – ein Chatbot als BGM-Coach?“ mehr dazu, wie Chatbots im BGM sinnvoll eingesetzt werden können, um das BGM fortschrittlicher und effizienter zu gestalten.